Quadratschädel sucht das Weite

Ohne Oliver Kahn spielt die Weltauswahl im Bernabeu-Stadion 3:3 gegen Real Madrid

MADRID taz ■ Wegen ihrer Kopflastigkeit werden die Deutschen in Spanien gern als cabezas cuadradas, als viereckige Köpfe, verunglimpft. Dieses Bild hat die Sportzeitung Marca für Oliver Kahn bemüht, nachdem der die Hundertjahrfeier Real Madrids umdribbelt hatte. Der Kapitän der DFB-Elf war eigentlich als Torhüter der Weltauswahl eingeplant, die am Mittwochabend gegen die Madrilenen antrat. Doch Kahn hatte schon am Morgen das Weite gesucht. Um acht Uhr bestieg er den Air Europa Flug 9009 Richtung Mallorca, um mit ein paar Kollegen von Bayern München Golf zu spielen. Eine Verletzung wurde als Grund vorgeschoben, in Wahrheit war Kahn die Sache einfach zu blöd geworden.

Am Dienstag hatte er den dritten Preis in der Wahl zum Weltfußballer des Jahres erhalten, doch schon die vorgezogene Pressekonferenz nervte. Fünfzig Minuten musste er warten, weil sich Sieger Ronaldo verspätete. Und dann ärgerten ihn auch noch die spanischen Journalisten. „Warum sind Sie immer so mürrisch?“, wollte einer wissen. Am Abend bei der zähen Preisverleihung stand er dann mit finsterer Mine neben den feixenden Zidane und Ronaldo: die eine Hand in der Hosentasche vergraben, die andere mit dem Pokal Richtung Boden baumelnd. Er sah aus wie einer, der sich spät nachts noch aufraffen muss, den Müll runterzutragen. Real-Legende Emilio Butragueño versuchte später noch, den Fänger zum Bleiben zu bewegen. Vergeblich. So hat sich Kahn in Madrid wieder ein paar Freunde mehr gemacht, die sich schon auf das nächste Gastspiel der Bayern freuen.

Stattdessen stand dann – nomen est omen – ein Mann namens Bizarri im Tor. Der Argentinier hält sonst für Valladolid. Er war nicht der einzige Lückenbüßer. Was hat Bum Kun Chas Sohn Cha Du Ri von Arminia Bielefeld in einer Weltauswahl zu suchen, oder Fernando Torres von Atlético Madrid, der bisher noch nicht einmal im Europacup kickte? Miroslav Klose vom 1. FC Kaiserslautern rechtfertigte seine plötzliche Nominierung immerhin mit dem Kopfballtor zum 1:0.

Bei Real Madrid wurden die Stars schnell ausgewechselt und durch Sportsfreunde mit geheimnisvollen Namen wie Tote und Olalla ersetzt. Es war ein verwässerter Abend, nicht nur weil es unaufhörlich regnete. Auch der Auftritt von Placido Domingo fiel zunächst ins Wasser. Schon vermutete man, der Startenor sei mit Kahn zum Golfspielen gefahren. Doch in der Halbzeit sang er die Hymne Real Madrids doch noch, playback vermutlich.

Nach der Partie, an der auch Michael Ballack teilnahm und die 3:3 endete (Tore von Klose, Kaka und Cissé für die Weltauswahl, von Solari, Tote und Cambiasso für Madrid), gab es noch einen Lichtbildvortrag mit Höhepunkten aus der Vereinsgeschichte, durften die 50.000 Zuschauer bis neun zählen (die Anzahl der gewonnenen Europapokale der Landesmeister) und Präsident Florentino Pérez sein Missionarsdenken verbreiten: Die Werte Real Madrids stünden für eine bessere Welt, sagte er. Oder so ähnlich. Fifa-Boss Joseph Blatter wurde pflichtschuldigst ausgepfiffen, und als Reals Ronaldo den goldenen Ball für Europas Fußballer des Jahres entgegennahm, skandierten die Fans den Namen des Teamkollegen und Lokalhelden Raúl. Kurzum: Golfspielen auf Mallorca war klar der bessere Plan. RALF ITZEL